Placebo: Aktiviere deine Selbstheilungskräfte
Der Placebo-Effekt beschreibt die positive Wirkung, die durch eine Scheinbehandlung oder ein Scheinmedikament erzeugt wird. Selbst ohne Wirkstoff können Placebos neurobiologische Prozesse aktivieren und verschiedene körperliche Funktionen beeinflussen. Dabei aktiviert das Placebo-Medikament die selben Hirnareale wie ein echtes Medikament. Doch auch Nocebos, die gegenteilige Erwartungen auslösen, sind zu beachten.
Übrigens, der Effekt ist keineswegs klein. Eine Studie (1) für Antidepressiva ergab, dass nur ein Viertel der Wirkung (25,16 %) auf den Wirkstoff, ca. ein Viertel (23,87 %) auf andere Faktoren wie die Spontanheilung und die Hälfte (50,97 %) auf den Placebo-Effekt, zurückzuführen sind.
Der Einfluss von Erwartung und Konditionierung:
Es gibt einige mögliche Wirkmechanismen, am besten erforscht sind die Auswirkungen von Erwartung und Konditionierung. Zudem spielt die Persönlichkeit von Behandler:innen eine wichtige Rolle. Somit kann auch die Zeit, die sich Arzt:innen für die Behandlung nehmen einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Je nachdem welche Symptome vorliegen und welche Art der Behandlung indiziert wird, haben wir automatisch bestimmte Erwartungen. Erwartungen können als Überzeugungen oder Einstellungen verstanden werden, die sich auf das prädiktive Eintreten oder Nicht-Eintreten eines bestimmten Ereignisses oder einer bestimmten Erfahrung konzentrieren (2). Je nach Erwartung werden entsprechende Hirnareale aktiviert, die ein Signal zum Beispiel an das Immunsystem weitergeben. Verstärkt werden kann die Erwartung durch die Bedeutung des Behandlungserfolges.
Ein weiterer Wirkmechanismus ist das Erlernen durch Konditionierung. Bei der klassischen Konditionierung werden ein unbedingter (anhand eines Reizes z.B. Pillenfarbe und Form) und ein bedingter Stimulus (anhand eines erwünschten Verhaltens, z.B. Wirkstoff der Pille) wiederholt miteinander gekoppelt. Dabei löst nach der Konditionierung der unbedingte Stimulus die gleiche Reaktion aus, wie zuvor nur der bedingte Stimulus. Es geht also darum, dass ein Lebewesen lernt, nach einem speziellen Signal ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, weil die Reaktion auf den Reiz zum Beispiel angeboren ist. Jetzt soll das Lebewesen lernen, auch auf einen anderen Reiz genauso zu reagieren (3). Personen, die regelmäßig Aspirin bei Kopfschmerzen konsumieren, können die Form, Farbe und den Geschmack der Pille mit der anschließenden Schmerzlinderung verknüpfen. Allein die Einnahme eines Placebos, welches Aspirin ähnelt, führt dazu, dass die Schmerzen nachlassen (4). Der Placebo-Effekt resultiert deshalb auch aus Vorerfahrungen mit echten Wirkstoffen. Gleiches kann auch zur Dosisreduktion in der Immunpharmakotherapie bei gleichzeitiger Beibehaltung der Behandlungswirksamkeit genutzt werden (5). Placebos, wie oben erwähnt, können Nebenwirkungen auslösen. Jedoch wurde wissenschaftlich bestätigt, dass die Nebenwirkungen eines Medikaments nicht auf den konditionierten Reiz übertragen werden können.
Wie kann man den Placebo-Effekt für sich selbst nutzen?
Nicht jeder ist gleich empfindsam für Placebos. Optimismus kann den Placebo-Effekt verstärken, während Angst die Nocebo-Reaktion erhöhen kann (6).
„Wussten Sie, dass Ihre Bauchspeicheldrüse Aufgrund Ihres letzten Gedankens ein paar Hormone mehr ausstösst? Ihre Milz und Ihre Thymusdrüsen haben Anpassungen vorgenommen. Verschiedene Magensäfte wurden produziert. Ihre Leber hat Enzyme erzeugt. Ihr Herzschlag und Ihr Lungenvolumen haben sich verändert. All das nur durch einen einzigen Gedanken. So machtvoll sind Sie.“ Dr. Joe Dispenza
Da Gedanken körperliche Prozesse auslösen, ist es sinnvoll diese möglichst zu kontrollieren. Als erstes geht es darum, sich unbewusste Gedanken und die damit verbundenen Emotionen bewusst zu machen. Hierbei helfen Achtsamkeitstraining und Meditationen. Mit etwas Übung können negative Gedanken und Emotionen im Alltag bewusst wahrgenommen werden und in neue positive Sichtweisen und Gewohnheiten umgewandelt werden. Denn dank der Neuroplastizität des Gehirns, sind Struktur und Funktionsweise wandelbar. Durch Training werden die Verbindungen zwischen Gehirn und Nervenzelle umstrukturiert, sodass sich das Denken auch langfristig verändert. Mehr zum Thema Achtsamkeit und Meditation findest du in dem Artikel: Achtsamkeitstraining und Meditation. Über Ziele, Anwendung und App-Empfehlungen.
Weiterführende Literatur:
Wenn du dich mehr für das Thema interessierst, kann ich dir das Buch “Du bist das Placebo“ von Dr. Joe Dispenza sehr ans Herz legen. Es bietet vertiefte Einblicke in das Thema und zeigt auf, wie Gedanken und Emotionen die körperlichen Prozesse beeinflussen können.
Quellen:
(1). Breidert, M., & Hofbauer, K. (2009). Placebo. Deutsches Aerzteblatt Online. https://doi.org/10.3238/arztebl.2009.0751
(2) Kube, T., D’Astolfo, L., Glombiewski, J. A., Doering, B. K., & Rief, W. (2017). Focusing on situation-specific expectations in major depression as basis for behavioural experiments—Development of the Depressive Expectations Scale. Psychology and Psychotherapy: Theory, Research and Practice, 90(3), 336–352. https://doi.org/10.1111/papt.12114
(3) Myers, D. G., Hoppe-Graff, S., & Myers, D. G. (2014). Psychologie (3., vollst. überarb. und erw. Aufl). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-40782-6
(4) Benedetti, F., Carlino, E., & Pollo, A. (2011). How Placebos Change the Patient’s Brain. Neuropsychopharmacology, 36(1), 339–354. https://doi.org/10.1038/npp.2010.81
(5) Lückemann, L., Stangl, H., Straub, R. H., Schedlowski, M., & Hadamitzky, M. (2020). Learned Immunosuppressive Placebo Response Attenuates Disease Progression in a Rodent Model of Rheumatoid Arthritis. Arthritis & Rheumatology, 72(4), 588–597. https://doi.org/10.1002/art.41101
(6) Kern, A., Kramm, C., Witt, C. M., & Barth, J. (2020). The influence of personality traits on the placebo/nocebo response. Journal of Psychosomatic Research, 128, 109866. https://doi.org/10.1016/j.jpsychores.2019.109866